Kennst du jemanden, der drei Sätze zu je neun Wiederholungen in seinem Plan hat? Nein? Wir auch nicht! Am Ende läuft es doch fast immer auf die gängigen, meist geraden Wiederholungszahlen hinaus. Irgendwie scheint sich 3 x 10 einfach besser anzufühlen als 3 x 9 oder 3 x 11. Das Phänomen ist übrigens nicht sonderlich exotisch. Die wenigsten lassen die Lautstärke ihres TV-Geräts auf 9 oder 11, in aller Regel wird dann die nächste gerade Zahl oder ein Fünferschritt gewählt. Was aber hat das alles mit dem 5 x 5-System zu tun? Nun ja, seinen Namen verdankt es eben genau dieses Phänomens. Bill Starr, ehemaliger Olympionike und Coach des US-Olympiateams gilt gemeinhin als Erfinder des Systems und er ging bei der Festlegung der Satz- und Wiederholungszahlen sehr pragmatisch vor:
“The researchers found that 4-6 repetitions of 4-6 sets, increasing the weight on each successive set, produced the most significant increase in strength. Terrific, I simplified the formula to five sets of five reps as that was the exact median and it was easy to remember.” Soweit zur Herkunft des Systems. Doch taugt es überhaupt etwas? Oder ist der Ansatz längst überholt?
Genau richtig!
Bei einem Satz mit fünf Wiederholungen wirst du in aller Regel 80 bis 85 Prozent deiner maximalen Kraftleistung aufbringen können. Vereinfacht ausgedrückt: Wenn du einmal 100 Kilogramm auf der Bank drücken kannst, ist das ideale Arbeitsgewicht für einen 5er-Satz ein Gewicht von 80 bis 85 Kilogramm. Keine schlechte Wahl, denn führende Trainingsforscher sehen diesen Belastungsbereich als ideal für Kraftzuwächse und einem Mehr an Muskelmasse an. Aber sind wir ehrlich: Fünf schwere Wiederholungen sind fies! Kein Wunder, bewegt man sich doch an der oberen Volumengrenze des kraftorientierten Trainings. Oder um es an einem Vergleich mit der Leichtathletik deutlich zu machen: Ein Sprint über 100 Meter ist anspruchsvoll, aber recht easy hinsichtlich der Belastungssteuerung: Vollgas! Bei 200 Metern wird das schon schwieriger, aber wer einmal versucht hat, 400 Meter zu sprinten, weiß, was das bedeutet. Nicht umsonst ist diese Strecke bei vielen Sprintern verhasst. Zurück zum Krafttraining: Kraft und Volumen begrenzen sich gegenseitig, das ist schlüssig. Je mehr Wiederholungen ich machen will, desto weniger Gewicht kann ich verwenden und umgekehrt. Neben der körperlichen Ermüdung kommt bei höheren Wiederholungszahlen aber noch ein anderer Faktor zum Tragen: die Konzentration. Natürlich ist es gerade auch bei schweren Wiederholungen wichtig, sich voll zu konzentrieren, aber Hand aufs Herz: Bist du bei der 15. Wiederholung eines Satzes wirklich noch bei jeder Bewegungsphase voll konzentriert? Sehr hohe Wiederholungszahlen sind daher durchaus riskant, auch wenn das Arbeitsgewicht gering ist. Genauso sieht es aber auch im Maximalbereich aus. Es hat gute Gründe, warum selbst Powerlifter nur sehr sehr selten mit ihrem Maximalgewicht trainieren.
Das Beste aus beiden Welten
Im 5 x 5-System erzeugt man ein ausreichendes Volumen und zugleich eine notwendige Intensität, um die Kraft zu steigern und die Muskeln wachsen zu lassen. Es ist einfach ein verdammt guter Kompromiss. Offen bleibt jedoch die Frage, wie die Belastungssteuerung während der fünf Sätze am besten aussehen sollte. Zur Wahl stehen dabei zwei grundverschiedene Ansätze: einmal die aufsteigende Pyramide und dann das gleichbleibende Gewicht. Wie so oft gilt auch hier: Für beide gibt es gute Argumente. Deutlich einfacher ist sicher die Variante mit der aufsteigenden Pyramide. Mit jedem Satz wird dabei das Arbeitsgewicht geringfügig gesteigert, sodass im letzten oder vorletzten Satz die maximale Belastung erreicht wird. Großer Vorteil: Man kann sich langsam an das Gewicht herantasten. Nachteil: Wirklich am Belastungslimit ist man eben auch nur in diesen ein bis zwei Sätzen. Bei der Variante mit gleichbleibendem Gewicht sieht das anders aus: Hier folgen nach dem Warm Up tatsächlich fünf Sätze mit 75 bis 85 Prozent der Maximalkraft. Die Folge: Die Pausenzeiten müssen drastisch erhöht werden, sonst droht schnell ein massiver Leistungsabfall. Einen eindeutigen Sieger gibt es hier nicht. Anfänger dürften mit der Pyramide sicher besser fahren, für Fortgeschrittene empfiehlt sich ein stetiger Wechsel.
Der passende Trainingsplan
5 x 5 eignet sich nur bedingt für jede Übung. Isolationsübungen wie Seitheben profitieren hierbei deutlich weniger als klassiche Mehrgelenksübungen wie Kreuzheben oder Kniebeugen. Daher macht es Sinn, das System auch nur für solche Übungen zu verwenden und Isolationsübungen mit etwas höheren Übungszahlen auszuführen. Beachtet werden sollte außerdem, dass bei richtiger Ausführung die Belastung enorm ist. Daher braucht es in der Folge auch ausreichend Ruhezeit. Eine Muskelgruppe zwei- oder dreimal wöchentlich mit einem 5 x 5-Training zu malträtieren, kann auf lange Sicht nach hinten losgehen.
Du hast noch keine Erfahrung mit dem 5 x 5-System? Na dann wird es aber höchste Zeit!